Vom Aprikosenfall auf die Palmen der grünen Oase Zeihen
Der Regierungsrat hat die Baubewilligung für die Folientunnels in der Landwirtschaftszone am Hallwilersee wegen „Behördenfehlern“ für nichtig erklärt. Der sogenannte „Aprikosenfall“ hat medial-öffentliche Beachtung gefunden und zu einer entsprechenden Sensibilisierung von Amtsstellen geführt.
Die Unterschiede (z.B. Ziele, Verfahren, Abgeltungen, Aufsicht) zwischen Bauzonen und Landwirtschaftszonen sind in Gesetzen, aufwendigen Planungen, Reglementen parzellenscharf festgelegt. Der Gemeinderat von Zeihen schreibt sich selber in seinem Leitbild (www.zeihen.ch): „Der Gemeinderat sorgt nachhaltig dafür, dass keine gesetzes- und vorschriftswidrigen Bauten ausserhalb Baugebiet erstellt werden. Übertretungen werden durch den Gemeinderat konsequent verfolgt“. Sie lesen richtig: „Verfolgt“.
Mich interessieren Veränderungen in der Landschaft, der Gesellschaft und in der Politik. Ich beobachte seit Jahren, informiere mich, überlege, stelle Fragen und schreibe mir die Erlebnisse von der Seele. Anfangs Januar 2020 begannen nördlich der Röti in Oberzeihen gut hör- und sichtbare Bauarbeiten, die nach und nach zu markanten Erdhügeln in der Landwirtschaftszone führten. Meine Anfrage nach einer allfälligen Baubewilligung und mein Hinweis auf die Tangierung einer im Internet
(AGIS) ausgewiesenen „Biodiversitätsförderfläche BFF“ wurde von der
Gemeindeverwaltung Zeihen auf die „Deponierung von Abrandungsmaterial“ durch den Forstbetrieb und als „nicht bewilligungsrelevant“ taxiert. Die neuen und unübersehbaren Wahrzeichen von Oberzeihen sind der Gemeindeverwaltung offensichtlich entgangen. Ende Februar 2020 bekam ich von der Abteilung Landwirtschaft die Notiz: Es handelt sich um eine Baustelle. Ein Teil der BFF wurde dabei unrechtmässig als Humusdepot zweckentfremdet. Für die Biodiversitäts-,
Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsbeiträge (gerodete Bäume in
Landschaftsqualitätsprojekt Jurapark Aargau) wurden Kürzungen in Aussicht gestellt und die Wiederherstellung verlangt. Bei den Beiträgen handelt es sich notabene um Steuergelder.
Meine erneute schriftliche Frage nach einer erteilten Bewilligung für die Deponien in der Landwirtschaftszone, diesmal an den für das Bauwesen zuständigen Gemeinderat Herrn Michel Dietiker, endeten ohne konkrete Antwort und letztlich in einem Debakel: „Sie können Ihre Anliegen gerne an der nächsten Gemeindeversammlung anbringen, wo demokratisch darüber abgestimmt wird“ und „Um die Kosten für unsere Gemeindekasse zu senken habe ich nur für Sie einen neuen Emailaccount eingerichtet an die Sie zukünftig bitte alle Ihre Mails senden: papierkorb@zeihen.ch“.
Die Mails gingen in Kopie jeweils an alle Mitglieder des Gemeinderates, aber niemand hat reagiert und dem Unfug Einhalt geboten.
Die Antwort aus der Ratsstube Zeihen hat mich auf die Palmen der grünen Oase zwischen Basel und Zürich gejagt. Zwischen den Rechten und Pflichten der vereidigten Gemeinderäte (Exekutive) und der Gemeindeversammlung gibt es Unterschiede und klar getrennte Verantwortlichkeiten. Der Gemeinderat allein ist für die Vollständigkeit der Baugesuche, die Planung, die Baukontrollen, den Naturschutz, das Trinkwasser, die Information der Bevölkerung und was weiss ich noch alles zuständig. Seit 2008 hat der Kanton Aargau ein Öffentlichkeitsgesetz mit einer Amtsstelle und zahlreiche Richtlinien. Der Gemeinderat muss gestellte Fragen beantworten, oder die Nichtbeantwortung schriftlich zu begründen. Da der angeblich eingerichtete Mailaccount nicht funktionierte, habe ich meine Feststellungen bezüglich der Landwirtschaftszone in der Röti (kein Baugesuch und keine Bewilligung für die Landwirtschaftsparzelle vorhanden, untätiger Gemeinderat) der kantonalen Abteilung Baubewilligungen in Aarau geschickt. Genau 3 Stunden nach Abgang meines Mails erhielt ich vom Bauherrn einen Telefonanruf: Er hätte von der Gemeinde die Aufforderung zur Einreichung eines Baugesuchs erhalten. „Sind sie Polizist oder was haben sie gegen mich?“ Ich reagierte zuerst etwas unwirsch. Ich habe doch einfach seit 7 Wochen versucht, von der zuständigen Gemeinde eine Antwort und gegebenenfalls eine Reaktion auf einen allfälligen Behördenfehler zu erhalten, was mir auf dem kleinen Dienstweg nicht gelungen ist. Der vernünftige Telefonanruf aber hat mir gezeigt, wie rasch Behörden reagieren können, und dass der gerissene Faden der Kommunikation jetzt wieder näht.
Die enorm zunehmende Regelungsdichte, der ungehemmte Wachstumsdrang des Regierungsrates, die zahllosen nicht koordinierten Förderprogramme, die Geldschwemme, der Planungs- und Dienstleistungswahn lassen sich zusammen mit den Ansprüchen der mobil-digitalen Gesellschaft auch auf dem Land nicht mehr unter einen Hut bringen. Das kann für Nutzer und Bauherren sehr ärgerlich sein. Für
Gemeinderäte sorgt die Situation im konkreten Fall offensichtlich für eine persönliche Überforderung. Das ist ein schlechtes Signal: Wenn Zeihen weiterhin selbständig bleiben will, braucht es einen handlungsfähigen, verlässlichen und glaubwürdigen Gemeinderat. Wieso verweist er fragenstellende Steuerzahler als unerwünschte Kostenverursacher in den Papierkorb? Wieso nutzt er nicht die vielen Angebote für Hilfestellungen durch kantonale Amtsstellen? Im vorliegenden Fall ist es jetzt halt zu spät: Die Aufsichtsbehörde (Departement Bau, Verkehr und Umwelt) wird
entscheiden, ob und welche Bewilligungen für die Beanspruchung der
Biodiversitätsförderfläche in der Röti in Oberzeihen erforderlich sind: „Wer unrechtmässig baut, soll nicht besser gestellt sein als Personen, die vorgängig ein Baugesuch einreichen“ (www.ag.ch).
Auf den Gemeinderat wartet noch Arbeit: In der „Verfolgung“ gemäss Leidbild und im Papierkorb..
Was haben der Aprikosenfall und die Palmen mit Naturschutz-Irrtum zu tun? Alles, weil die Gemeinderäte (nicht nur in Zeihen) auch für den Schutz, die Erhaltung und die Entwicklung der Landschaft zuständig sind.