Das bedrohte Wasserschloss 1982-2021
Das Wasserschloss im Kanton Aargau ist kein gebautes Schloss. Der Begriff hat sich eingebürgert für die Schachen-Landschaft unterhalb der Stadt Brugg, wo die Reuss und die Limmat sich mit der Aare vereinen.
Wenn alle drei Flüsse Hochwasser führen, kommt es zu Überschwemmungen. Früher mieden deshalb die Leute das Gebiet und stellten keine Gebäude auf. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden immer mehr Infrastrukturanlagen (Bahndamm, Kläranlagen, Militärbauten, Freizeit- und Sportstätten) in die Nähe der Flüsse gebaut. Die natürlichen Abflüsse (Wassermengen) der drei Flüsse werden künstlich reguliert. Für die Aare bestimmen die Stauseen im Berner Oberland (Grimselgebiet) und die Juragewässerkorrektion (Regulierung des Abflusses aus den Jurarandseen) die Wassermenge. Die Reuss- und Limmathochwasser werden durch den Vierwaldstättersee und den Zürichsee abgeschwächt. Alle drei Flüsse transportieren nur noch wenig Geschiebe. Im Gegensatz zu früher lagern sie kaum mehr Kies- und Sand ab, sondern die Flussbette tiefen sich ein. Tendenzmässig nimmt der Überflutungsbereich eher ab. Daran haben auch die verschiedenen Hochwasser wie in den Jahre 2005, 2007, und 2021 nichts geändert. Die jüngste Klimaerwärmung sorgt gefühlt für grössere Wassermengen.
Fluss- und Auenlandschaften waren im Kanton Aargau artenreiche und einzigartige Lebensräume. Das vom Bundesrat 1977 erlassene Inventar der Landschaften von nationaler Bedeutung von 1977 (BLN-Inventar) enthält die Reusslandschaft von der Kantonsgrenze bis nach Windisch (https://data.geo.admin.ch/ch.bafu.bundesinventare-bln/objectsheets/2017revision/nr1305.pdf). Der Kanton Aargau hat damals verhindert, dass auch das Gebiet Wasserschloss ins Inventar aufgenommen wurde. Das Baudepartement wollte zuerst die Aaretalstrasse zwischen der Autobahn im Birrfeld und Koblenz bauen und deren Planung nicht durch Schutzmassnahmen erschweren.
Baudirektor Ueli Siegrist entschied sich 1982, für das Wasserschloss ein kantonales Schutzdekret zu erlassen. Dekrete können von Grossen Rat jederzeit erlassen oder geändert werden. Den Dekretsentwurf schickte das Baudepartement in eine breite Vernehmlassung. Natur und Vogelschutzvereine, die sich seit Jahren für den Schutz einsetzten und sich gegen die Pläne der Aaretalstrasse wehrten, wurden nicht zu einer Stellungnahme eigeladen. Vertreter der Vereine und der Aargauische Bund für Naturschutz (ABN) bildeten 1982 die Arbeitskommission Wasserschloss. Diese mischte sich in die Politik ein. Der Kanton nahm ihre Tätigkeit als selbsternannte Arbeitskommission Wasserschloss zur Kenntnis. Die Erfahrungen sind im Bericht 1984 dargestellt. Über die weitere Naturüberrollung im Gebiet Wasserschloss wird noch zu berichten sein.
Im Jahre 1985 lud der Baudirektor die Anwohnergemeinden und die Naturschutzorgnisationen zu einer Besprechung ein, damit sie ihre Anliegen für das Dekret einbringen konnten, mit mässigem Erfolg. Das kantonale Wasserschloss-Dekret trat am 30. April 1984 in Kraft (https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/texts_of_law/761.530/versions/1820). Das Wasserschloss wurde Bestandteil des Auenschutzparks Aargau und erfuhr zahlreiche Umgestaltungen in Flussnähe. 1996 wurde das Wasserschloss ins BLN-Inventar als national bedeutende Landschaft aufgenommen (https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/bvu/dokumente_2/umwelt__natur___landschaft/naturschutz_1/BLN_1019_Wasserschloss_beim_Zusammenfluss_von_Aare_Reuss_und_Limmat.pdf).
2020 kommt das kantonale Departement Bau-, Verkehr und Umwelt BVU (früher Baudepartement) wieder mit Plänen für die Aaretalstrasse. Das Wachstum der Bevölkerung, die Ansprüche an die Mobilität und der Verkehr haben dermassen zugenommen, dass neue Strassen als unumgänglich betrachtet werden. Im Projekt OASE (https://www.ag.ch/de/bvu/mobilitaet_verkehr/strasseninfrastruktur/strassenprojekte/ostaargauer_strassenentwicklung/oase_regionales_gesamtverkehrskonzept_ostaargau.jsp) sollen sowohl der Anschluss des unteren Aaretals an das Birrfeld als auch an die Autobahn bei Wettingen ausgebaut werden. Baue Strassen, ernte Verkehr und lasse die Umwelt dafür bezahlen. Die Reihenfolge der Tätigkeiten des Departementes BVU ist weder alphabetisch noch zufällig. Sie entsprechen einfach der Wachstumsstrategie des Regierungsrates des Kantons Aargau.
Wieder regt sich etwas Widerstand (https://www.oasar.ch/). Es sind nicht mehr eine papierene Broschüre und Briefwechsel wie 1982 bis 1988, sondern enorme Mengen von Papier, Propaganda, Ankündigungen, Kompromissen und digitalen Möglichkeiten. Solange das Wachstum weiter geht, werden keine konsequenten Lösungen für den Schutz der Rest-Landschaft mehrheitsfähig sein.
Vielleicht setzen künftige Hochwasser neue Grenzen oder führen dazu, dass dem Wasser und den Flüssen mehr Raum zugestanden wird.
Lesen Sie dazu die Broschüre der Arbeitskommission Wasserschloss von 1982:
DAS BEDROHTE WASSERSCHLOSS
Naturüberrollung…. Stand 1982..84..86..
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