Naturschutz: Das Alter von Bäumen, der jugendliche Schweizer Forst und der Urwald
Die einheimischen Bäume sind sehr langlebige Wesen. Wir haben das Glück, den wahrscheinlich ältesten Baum im Kanton Aargau auf dem Bözberg leben zu sehen: Die Linner Linde.
Die Linner Linde zeigt, wie alt und umfangreich ein Baum werden kann. Der junge Baum muss in der Zeit gewachsen sein, als die Berner und die Eidgenossen 1415 eine militärische Schwäche der Habsburger ausnützten und einen Teil des heutigen Aargaus eroberten.
Erstaunlich dabei ist nicht, dass die Linner Linde so gross ist, sondern dass während 600 Jahren an diesem Standort nichts verändert wurde: Keine Strasse, keine Leitung, kein Bedarf an Holz usw.
Das Alter von mehreren Jahrhunderten können andere Bäume problemlos auch erreichen:
• Eiben über 1‘000 Jahre
• Eichen 600 bis 800 Jahre
• Buchen 300 bis 400 Jahre
• Weisstannen 500 bis 600 Jahre
• Fichten 500 bis 600
Hätten wir im Wald Bäume, die ihr natürliches Lebensalter erreichen, dann wären die von „Förstern“ seit den Jahren 1500 bis 1600 „gepflegt“ oder wenigstens nicht umgehauen worden.
Deutlich weniger langlebig sind nur die Weiden und Pappeln der Auen. Ständig verändern, immer wieder neu entstehen und in erlebbarer Zeit auch wieder nachwachsen können
Hätten wir im Wald Bäume, die ihr natürliches Lebensalter erreichen, dann wären die von „Förstern“ seit den Jahren 1500 bis 1600 „gepflegt“ oder wenigstens seit damals nicht umgehauen worden.
Jedermann, der es wissen will, weiss: Im Wirtschaftswald des Kantons Aargau, auf 100 Prozent der rechtlichen Waldfläche, gibt es (fast) keinen Baum mehr, der älter als ca. 120 jährig ist. Die ältesten Bäume im Wirtschaftswald (Forst) entsprechen, gemessen an der Lebenserwartung der Menschen, Jugendlichen in der Ausbildung. Die ältesten, wohlverstanden. Die grosse Mehrheit der „Bäume“ befindet sich im Baby- oder Grundschulalter. Der ganze Rest der möglichen Baumalter fehlt. Unvorstellbar, wie ein ganzer Wald voll wirklich alter Bäume aussehen würde. Die Charakteristik der Waldgesellschaften, die Struktur des Waldes und die ganze Erhabenheit kommen erst mit dem zunehmenden Alter der Bäume zum Tragen. Besuche in Rest-Urwäldern in Slowenien, Kroatien, Polen, Bulgarien, Rumänien oder in Russland werden heute von spezialisierten Organisationen angeboten.
Alte Bäume kann man in ganz Europa nur noch in wenigen Einzelexemplaren (z.B. auf Postkarten abgebildet) sehen.
Urwälder, in denen die Bäume ihr natürliches Alter erreichen, gibt es in der in der Schweiz und in Mitteleuropa nicht mehr. Alle Bäume wurden genutzt. Die Forstwirtschaft will gar keine grossflächigen Urwälder mehr. Urwälder werden deshalb bei uns gleichgesetzt mit Chaos, Gefahr, undurchdringlich. Urwälder in den Tropen dagegen, weit weg von uns, gelten (zu Recht) als gut und notwendig für die Erhaltung der Natur. Sie sollen geschützt werden, vor der Gier nach Holz und Landwirtschaftsflächen. Die Urwälder Sibiriens mit unermesslichen Holzvorräten blieben bisher erhalten, weil sie nicht erschlossen, zugänglich sind.
Es ist ein grosser Mangel für Natur und Mensch, dass es in der Schweiz keine Urwälder mehr gibt. Dass der Bevölkerung ein paar Bäume im jugendlichen Alter als „Altholzinseln“ angepriesen werden, grenzt an einen Etikettenschwindel. Dass die heutigen Wirtschaftswälder, Forste und Jungbaumflächen „Natur pur“ sein sollen, stimmt einfach nicht. An dieser Tatsache ändern auch die gesteuerten Umfragen bei Waldbesuchern nichts. Aussagen wie „Mir gefällt es im Wald“, „die Bäume wachsen ja wieder“ sind persönliche Empfindungen, die die Anpassungsfähigkeit der Menschen an ihr Umfeld (und die Fragesteller) dokumentieren. Natur im Wald heisst Urwald, grosse Flächen und zwar in den Tropen und bei uns.
Angesichts der fehlenden alten Bäume und der Urwälder gibt folgende dringenden Vorgehensweisen: Gemeinden, schont bitte die ältesten noch vorhandenen Bäume aller Baumarten vor der Nutzung. Leute, stellt diese Forderung an den Waldumgängen.
Kantone, nehmt grosse Waldflächen (mehrere 100 ha) aus der Waldnutzung. Schafft Waldreservate, damit sich in den nächsten 400 Jahren wieder regionale Urwälder in der Schweiz entwickeln können.
Autoren im „Natürlich“ schrieben einmal: Naturschutz im Wald ist Nichts tun und sonst gar nichts. Dem ist nichts beizufügen, ausser: Je länger wir mit dem Beginn zuwarten, desto länger geht es, bis die künftigen Menschen wieder Urwälder und die entsprechende Natur im Wald erleben können.
Dass unsere heutigen Forste Natur pur sind, ist eine nicht haltbare Propaganda (Umfragen).