Verrottender Plastik versaut den Waldboden für Jahrhunderte
Die Weltmeere sind anerkanntermassen voller Plastik. Sogar im Südatlantik, weitab jeder Zivilisation, schwimmen sichtbar grössere und kleinere Teile im klaren Wasser. Von irgendwo kommt dieser langlebige und schädliche Müll her: Früher waren Meeresfische in Plastik verpackt. Heute ist der Plastik auch im Fisch.
Da das meiste Wasser aus der Schweiz ins Meer fliesst, sind wir vielleicht am globalen Schlamassel gar nicht so unschuldig. Im Staatswald von Densbüren jedenfalls verrotten Plastikhüllen und Drahtgitter in „Verjüngungsflächen“ seit Jahren und verschwinden langsam im Boden und unter Laub. Weshalb Forstbetriebsleiter im Staatswald Bäume pflanzen und mit Plastikhüllen schützen hat nur einen Grund: Der Staat beziehungsweise die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen den Aufwand für die Einrichtung und die Pflege solcher Plantagen, die das Aussehen von „Soldatenfriedhöfen“ haben. Selbstverständlich bewilligen und verteidigen staatliche Stellen und die „Branchenverbände“ Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Gärtnereien dieses Vorgehen als „notwendig“ und als „gute fachliche Praxis“ für die „Bewirtschaftung und Erneuerung“ der Forste. Schliesslich sind die Forstbetriebe ja auch „zertifiziert“. Mit dem Zertifikat FSC (und einem Obolus an den WWF) erkaufen sich die Verantwortlichen auch die Vergebung ihrer allfälligen Umweltsünden: Das Zertifikat sieht weder Kontrollen noch Sanktionen vor.
Früher galt Plastik im Wald als „abbaubar“. Das heisst: Er zerbröselt langsam zu so kleinen Teilchen, dass er von Auge nicht mehr sichtbar ist. Aus den Augen aus dem Sinn. Eine solche „Ansicht“ ist heute nicht mehr „haltbar“: Jede Untersuchung von Böden und Wasser weist auf das Vorhandensein und die weite Verbreitung von Plastikteilchen hin. Die Nachteile dieser Plantagenwirtschaft und die dauerhafte Beeinträchtigung der Waldböden will natürlich niemand zur Kenntnis nehmen oder gar ändern: Mit Naturverjüngung, mit Bäumen, die selber wachsen und die ohne Plastik auskommen, verdient der Forstbetrieb kein Geld. Und der Sinn des Forstbetriebs ist ja nicht dauerhafter, günstiger und stabiler Wald, sondern eine jährlich gut gefüllte Kasse. Dafür nimmt man halt so ein paar Plastikteilchen im Boden in Kauf und erklärt sie als naturnah und nachhaltig. Papier nimmt alles an und ist geduldig.
Ich schrieb meine Bedenken am 4. März 2019 an den für den Wald zuständigen Regierungsrat und stellte Fragen: „Ich bin der Meinung, es verträgt sich schlecht mit der Nachhaltigkeit, wenn der Kanton Aargau im Staatswald Densbüren Plastikhüllen und Drahtgitter von Anpflanzungen einfach der langsamen Verrottung überlässt. Es ist unzweifelhaft, dass durch die Forstwirtschaft Plastikteile in den Waldboden und ins Wasser gelangen. Im Staatswald kommt dazu, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Anpflanzungen mit dem Plastik und die Pflege noch selber bezahlen.
Ich habe vor Jahren schon die Abteilung Wald (als Auftraggeberin) und den Leiter des beauftragten Forstbetriebs (als Auftragnehmer des Staates) auf diesen Umstand hingewiesen. Passiert ist nichts.
Der Kanton Aargau besitzt 3‘300 ha Wald (7 Prozent der gesamten Waldfläche).
Die Aargauerinnen und Aargauer sind damit rechtlich die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer der Staatswaldflächen. Sie haben entsprechende Rechte und Pflichten und tragen die Verantwortung für das, was im Staatswald passiert.
Der Kanton Aargau hat die Ziele bezüglich Nutzung und Schutz der Staatswälder in der „Staatswaldstrategie 2013 – 2023“ festgelegt. Eine öffentliche Mitwirkung dazu hat nach meinem Wissen nie stattgefunden.
Ich frage Sie höflich an: Wie können sich die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer konkret zur Bewirtschaftung der Staatswälder äussern? Wie sind die Rechte und Pflichten geregelt? Wie und wo kann ich meinen Antrag, die Plastikreste aus dem Staatswald zu entfernen, stellen?“
Die von Herrn Regierungsrat Stephan Attiger unterschriebene Antwort erhielt ich am 20. März 2019: (.): „Wir bedanken uns für Ihren Hinweis. Gemäss Rückfrage beim zuständigen Forstbetriebsleiter wurden im vergangenen Winter die Flächen mit Einzelschützen kartiert. In Zusammenarbeit zwischen dem Forstbetrieb und der zuständigen Jagdgesellschaft werden die nicht mehr notwendigen Einzelschütze sowie die zerfallenden Pflanzenschutzhüllen entfernt. Sie können sich mit solchen Anliegen direkt an den zuständigen Forstbetriebsleiter wenden. (…) Wie wir Ihnen bereits mit Schreiben vom 16. Januar 2017 mitgeteilt haben, ist die Mitwirkung der Bevölkerung zur Planung der Waldnutzung über die Richt- sowie die Nutzungsplanung sichergestellt. Die Waldgesetzgebung sieht überdies keine öffentliche Auflage von Betriebsstrategien, Betriebsplänen oder ähnlichen Instrumenten vor.“
Der Vorsteher des Departements Bau, Verkehr und Umwelt bestätigt einmal mehr: Im Staatswald haben die Waldeigentümer nichts zu sagen. Es besteht keine kantonale Organisation der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer für den Vollzug des Waldgesetzes.
Die Verwendung von Plastik im Staatswald entspricht offenbar der Fachmeinung der Abteilung Wald. Tolerierter und bezahlter, verrottender Plastik im Waldboden deutet auf eine sehr large Anwendung von Umweltvorschriften (Bodenschutz, Vorsorge) hin.
Der Waldeigentümer (Kanton, vertreten durch den Regierungsrat) überlässt die Sache dem (angestellten) Forstbetriebsleiter und den Jägern. Mit Verlaub: Das ist ziemlich schwach. Der fragliche Plastik stammt ja gar nicht von ihm, sondern von seinen Vorgängern. Und die Nachwirkungen tragen seine Nachfolger und die Allgemeinheit. Und die Jäger? Ja liebe Jäger, da habt ihr noch viel Arbeit vor euch. Junge Jäger lassen sich sicher ein paar Stunden einspannen, bis sie die Jägerprüfung bestanden haben. Und die bestandenen Jäger? Kriechen die durch die Brombeeren der Jungwüchse und suchen Plastikteile? Viel Vergnügen und viel Erfolg.
Der Regierungsrat verwedelt. Der Aargau beginnt wohl im Alphabet ganz vorne, beim Umweltschutz hat er aber die Nase nicht dort. Der Vorsteher des Departements Bau, Verkehr und Umwelt agiert in der Reihenfolge seiner Tätigkeiten im Titel. Er verwedelt. Er nimmt das Problem gar nicht ernst. Er beschirmt seine loyalen Abteilungsleiter. Weil sich niemand für das Thema interessiert… schade.
Bildtext:
Staatswald Densbüren, verrottender Plastik versaut den Waldboden für Jahrhunderte, 17.04.2018, naturschutz-irrtum.ch