Naturschutz: Verstädterung
Naturschutz: Verstädterung
Die Durchmischung und Ausbreitung von Stadt- und Landbevölkerung findet sowohl in den Städten als auch auf dem Land statt. In den Zentren, da wo höherer Verdienst lockt, wo Banken, Versicherungen, Geschäfte, Ärzte und Anwälte florieren, sehnt man sich eher nach freizeitlicher Ruhe. Man hat Hobbys für die man Platz und Landschaft braucht. Man geht auf’s Land, weil man vom hereingeholten Geld auch einmal etwas haben will. Die Erwartung ist klar: Doppelgarage und Parkplatz endlich ganz nahe – am liebsten sogar in der Wohnung. Für die Arbeit, die Kultur, das Einkaufen, die Schule und den Spital ist man immer noch rasch genug in der Stadt.
Auch auf dem Land hat man Geld. Zum Beispiel durch Landverkauf, Erbschaft oder eigenen Fleiss dank gleicher Ausbildung wie im Zentrum. Viele bleiben auf dem Land, arbeiten aber in Wirtschaftszentren. Der Arbeitsweg wird in Zeit gemessen. Dank nahem Autobahnanschluss und guten Verbindungen kann man mit einer Stunde Auto- oder Bahnfahrt schon recht weit kommen. So nimmt man teil am Wirtschaftsleben und bleibt trotzdem auf dem Land. Statistisch steigt die durchschnittliche Pendlerzeit jährlich an. Mit noch besseren Erschliessungen und rascheren Verkehrsmitteln wachsen die räumlichen Möglichkeiten zwischen Verdienen, Wohnen und Vergnügen nicht nur linear, sondern im Quadrat.
Und wo sind die Bauern, die Masse der früheren Landbewohner geblieben? Die grosse Anzahl von Kleinbauern hat ihre Häuser in den Dörfern aufgegeben, für Wohnungen und Überbauungen frei gemacht. Freiwillig, durch Verkauf von Bauland oder unfreiwillig durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Moderne Landwirtschaft und modernes Wohnen sind in unmittelbarer Nachbarschaft kaum mehr mit den Ansprüchen der Gesellschaft vereinbar. Wo gibt es in wachsenden Wohngebieten noch Bauernhöfe mit Kühen? Mit staatlichen Beiträgen an Güterzusammenlegungen, Wegnetze, Aussiedlungen und jährlichen Direktzahlungen müssen die wenigen verbliebenen Landwirte wirtschaftlich über Wasser gehalten werden. Nicht einmal sie können aus dem, was das Kulturland hergibt, eigenständig einen „normalen“ Verdienst erwirtschaften. Trotz modernster Produktion, Ausbildung, Rationalisierung und dem Einsatz grösster Maschinen können sie nicht so billig produzieren, wie der Weltmarkt dies verlangt. Wegen internationlaer Wirtschaftsabkommen müssen wir die Grenzen für Produkte und Verkehr offen halten. Wir haben uns daran gewöhnt, überall und jederzeit frische Ware zu günstigsten Preisen zu haben. Irgendwo auf der Welt ist immer Saison oder Aktion. Ein Yoghurt hat sowieso schon eine halbe Weltreise hinter sich, bvor es im Regal landet. Dafür müssen wir uns die angeblich besondere Multifunktionalität der Schweizer Bauern mit Direktzahlungen erhalten. Auch sie leben damit vom Geld der Stadt Schweiz. Sie nutzen uns im Mittelland die Felder und Äcker, die wie Grünflächen zwischen Siedlung und Wald bisher erhalten geblieben sind. Sie ermöglichen es uns, die Velorennfahrer der Tours de Suisse mit Kühen zu fotografieren und den Japanern und Amerikanern eine heile Schweiz zu zeigen.
Aber auch für die Bauern ist die Entwicklung nicht lustig. Wachsen oder weichen ist vielfach die letzte Alternative. Ein ständiger Wechsel der Vorschriften und der Bedingungen für die Direktzahlungen schaffen Unruhe und Unsicherheit. Das Tempo der Veränderungen ist so hoch, dass auf einem modernen Bauernbetrieb dauernd umgebaut und umgestellt wird. Weil niemand weiss, für wie lange die Investition gut sein wird, bleibt vieles Flickwerk und billigste Machart. Die Landschaft und die Umgebung des Hofes als Deponie für Siloballen und alte Maschinen sind heute Standard.